Sabrina Sperl | knapp sichtbar

(c)HR ArchivNr: 882_220610_009 / 10.06.2022 / Ebersberg, Kunstverein, Vernissage Ausstellung Sabrina Sperl "knapp sichtbar". hier: Sabrina Sperl vor der Installation in der Säulenhalle

10. Juni bis 03. Juli 2022

Sabrina Sperl

knapp sichtbar

Die menschliche Figur, die geometrische Form, der real konstruierte Körper sind die  Protagonisten der malerischen Inszenierungen von Sabrina Sperl.

Wir laden herzlich ein zu der überaus sehenswerten und präzise präsentierten Ausstellung von Sabrina Sperl. 

www.sabrinasperl.de

Freitag, 10. Juni, 19 Uhr: Eröffnung
Samstag, 02. Juli, 20 Uhr: Konzert | Jeremiah und Very, Very Special Guest
Sonntag, 03. Juli, 16 Uhr: Finissage | Künstlergespräch

Öffnungszeiten:
Freitag 18 – 20 Uhr | Samstag, Sonntag von 14 – 18 Uhr

Ein paar Eindrücke aus der Ausstellung. (c) Peter Hinz-Rosin

Ausstellungsbesprechungen

Süddeutsche Zeitung 09. Juni 2022 von Michaela Pelz

Ebersberger Zeitung, 09. Juni 2022 von Peter Kees
Formen erforschen
Ausstellung „knapp sichtbar“ beim Kunstverein Ebersberg beschäftigt sich mit dem Raum

Anfang des 20.Jahrhunderts entwickelte sich eine Kunstrichtung, die sich auf einfache geometrische Formen beschränkte: der Konstruktivismus. Zeitweise hatte die von dem russischen Künstler Vladimir Tatlin 1915 offiziell ins Leben gerufene streng gegenstandslose Stilrichtung sogar den Charakter einer politischen Bewegung, zwischen 1917 und 1921 etwa als offizielle Kunst in Sowjetunion zur Zeit der Revolution. Ein wenig erinnert das, was ab Freitag im Ebersberger Kunstverein zu sehen ist, an diese Strömung, mit einigen Unterscheidungen freilich: in den geometrischen Formen der aus Saarbrücken stammenden Künstlerin Sabrina Sperl – deren Einzelausstellung den Titel „knapp sichtbar“ trägt – finden sich mitunter gegenständliche Figuren.

Doch der Reihe nach. Man betritt die Alte Brennerei und blickt auf zwei Anziehungspunkte: eine Installation im Eingangsraum ist zu sehen, scheinbar schwebenden gelben Kuben in luftiger Höhe (es sind 24 Elemente mit 23 unterschiedlichen Formen) und ein, durch den offenen Durchgang im hinter Saal zu sehendes, rundes Gemälde, auf dem über verschiedenfarbig gemalten, zielscheibenartigen Kreisen wiederum Kuben zu sehen sind, diesmal grau. Die geometrischen Gebilde bleiben hier allerdings nicht leer wie bei der Rauminstallation, sondern tragen Gezeichnetes in sich, Figuren beispielsweise. Ein Mann mit einem kleinen Mädchen auf den Rücken schreitet da etwa eine Treppe hinauf. Wer er ist? Die Künstlerin kennt ihn, will aber dessen Identität nicht lüften. In diesem Bild, wie in anderen, die einander ähneln, und den räumlichen angeordneten Objekten geht es um „konkrete Raum- und Seherfahrungen“, wie die Künstlerin erklärt. Schwerelos wirken die gelben Kuben aus Holz im Raum (sie sind an ebenso gelben, dünnen Fäden aufgehängt) wie auch die grauen auf dem Bild. Werden die eingesogen? Ausgestoßen? Die Künstlerin lässt es offen. Zumindest wirkt es so, als ob sie in die Schwerelosigkeit geworfen sind.

Hier wie in allen anderen Werken geht es um das Auflösen von Raum, zumindest den, der in unserer Wahrnehmung abgespeichert ist. Und noch etwas unterschiedet Sperls künstlerischen Ansatz vom Konstruktivismus: das alles hat mit Politik – zumindest vordergründig – so gar nichts zu tun. Rein ästhetische Fragen will Sperl erforschen, nicht mehr und nicht weniger. Zugegeben, all das ist nicht unbedingt auf einen oberflächlichen ersten Blick zu begreifen. Man muss sich einlassen, genau betrachten, ehe man etwa versteht, was es mit den zerstückelten Würfeln auf sich hat, die immer wieder an den Wänden auftauchen, mal größer, mal kleiner. Es sind Formen, die weitergedacht durch die Wände gehen, die vorhandene Raumstruktur gewissermaßen auflösen. Optische Täuschung wäre die verharmlosende Beschreibung dafür, raum- und gedankensprengende Weite die euphemistische. Das alles klingt groß. In Gedanken mag das zutreffen, beim nüchternen Betrachten, ohne jeden geöffneten Denkraum, mutet die Schau eher arglos an, wirkt harmlos, fast ein wenig zu lieblich, wenig inspirierend. Doch sie kann nachwirken, mit den eigenen Gedanken spielen und mit Abstand tatsächlich Räume weiten. Damit gewinnt Sperls Ästhetik dann doch auch eine politische Dimension.

Merke: Kunst ist grundsätzlich politisch. Die Ausstellung ist erfrischend luftig gehängt. Die geometrische Form des Kubus taucht überall auf. Auf allen Bildern, selbst an den kleinen Blättern mit Landschaftsmalerei. Das geht so: Sperl nimmt mit Temperafarben grundiertes Büttenpapier auf ihre Reisen mit und malt mit Ölfarben die Landschaft, die sie umgibt darauf. Später, oft Jahre später, setzt sie mit einem Pinsel ihre Kuben dazu. Alle möglichen kleinformatigen Bilder hängen noch, Variationen von Figur und geometrischer Form.

Der Verweis auf den Konstruktivismus mag oberflächlich wirken, unbedacht, Sperls Auseinandersetzung mit der geometrische Form hat allemal etwas damit zu tun. Im Studium an der Kunsthochschule in Saarbrücken habe sie sich mit dem Bildgrund beschäftigt, Schablonen auf die Leinwände gelegt und das Umfeld bemalt. Silhouettenhafte Freistellen waren geblieben, Figuren oder Gebäudeteile. Daraus hat sie ihr Prinzip entwickelt.
Peter Kees