Klasse Schirin Kretschmann (AdBK München) | was geht, was kommt
Studierende der Klasse von Prof.in Schirin Kretschmann, Akademie der Bildenden Künste München entwickeln eigens für den Projektraum „La Garaasch“ ortsbezogene Arbeiten.
Hang Zhou | Zihan Teng | Silin Wang | Tabata von der Locht & Johannes Thum
I – Hang Zhou | 85kg 17.09. – 21.09. | Eröffnung: 17.09. 19 Uhr
Ventilierte Luft bringt einen mannshohen Papierstapel in Bewegung. Vier in der Garage angeordneten Ventilatoren sind so programmiert, dass sie sich scheinbar zufällig ein- und ausschalten. Sie wirken aus vier verschiedenen Richtungen auf den mittig im Raum gestapelten Papierstapel ein und tragen diesen Blatt für Blatt ab. In dem Titel 85kg verbindet sich das Gesamtgewicht des Papiers mit dem Gewicht des Künstlers.
Hang Zhou (*1988 in Peking, China) setzt in seinen konzeptuellen Werken den Fokus auf den körperlichen Sinn und Körper-Erinnerung. Durch Strategien der Wiederholung, Verlangsamung oder Mechanisierung thematisiert er den Wert gelebter Zeit. Die von ihm erzeugten Situationen erzeugen jeweils Irritationen, die keine Auflösung nach sich ziehen, sondern in einem Zustand bleiben, in dem Temporäres und Bleibendes, Körperlich-Sinnliches und Geistig-Persistentes nicht voneinander zu trennen sind.
Der Ausstellungsraum ist durch drei mit Papier ummantelte UV-Röhren an der Decke in violettes Licht getaucht. Eine formale Korrespondenz finden die Röhren in drei in den Boden gemeißelte Schnitte. Zur Eröffnung der Ausstellung schneidet der Künstler die Papierummantelungen um die Leuchten auf, darin verwahrtes Pulver rieselt heraus und verteilt sich auf dem Boden. Zum Ausstellungsende setzt er den Ausstellungsraum in seinen ursprünglichen Zustand zurück, und vergräbt das lose Material im Boden.
Was überdauert die Zeit, wenn von unseren Handlungen nichts Sichtbares übrigbleibt? „In dieser Zeit wurden unbedeutende Risse geschnitten“ schreibt Zihan Teng (*1998, China) zu seiner Arbeit. Er denkt über nichts weniger nach als den Ursprung unseren Seins und die Bewegungen zwischen Geburt und Tod. Er verweigert sich gängigen Weisen der Bilderzeugung, um an einem Nullpunkt anzusetzen. Zugleich sind es die von ihm eingesetzten Medien, die das erzeugen, was er als den Inhalt seiner Arbeiten ausweist – einen „Riss“ als Medium für eine elementare Erfahrungswelt, die die Betrachter*innen durch eine Erfahrung ihrer eigenen Präsenz in der Arbeit zu sich bringt.
Ein unbedeutender Riss wurde in das Innere der Ära geschnitten.
Wenn Du spürst, wie Dein Leben vorbeizieht, denkst Du dann an etwas anderes?
Was bleibt uns, wenn das Leben vorbei ist? Ich denke, es wird etwas übrig bleiben, auch wenn es nicht Sichtbar ist. Zihan Teng
III – Silin Wang | I‘m Not Here 01.10. – 05.10. | Eröffnung: 01.10. 19 Uhr
Wow, 2022 Holz, Kugellicht (Installation auf dem Garagendach)
Humph, 2022 Baumwollfaden, Baumwolle, Stoff, Wände aus Gips
Der Ausstellungsraum erstrahlt in weißer Leere. Beim Betreten des Raums fällt neben dem Eingang ein kleiner weißer Kasten in den Blick, der ebenso zum Inventar des Raumes gehören wie eigens für das Textilobjekt gefertigt sein könnte, das in diesem verwahrt wird: eine Zeitbombe, gefertigt aus verschiedenen Stoffen, die Silin Wang mit wenigen einfachen genähten „Linien“ zusammengefügt hat. Weiter hinten im Raum teilt eine Wand einen kleinen Raumbereich ab, hinter dem ein weiteres Werk wie beiläufig abgestellt seinen Platz findet: ein großer ausgestopfter Stoffkörper, der wie kartoffelartiges Wesen anmutet. Nach dem Verlassen des Raums fällt eine kugelförmige Leuchte in den Blick, die in einem Holzkasten auf dem Dach der Garage montiert ist. Ihre Pointe darin liegt, zugleich die Stimmung im Innenraum aufzunehmen und als Mikroarchitektur eine visuelle Verbindung zu der nahe gelegenen Kirche herzustellen.
Silin Wang (*1990, Nanjing, China) selbst schreibt: All diese Spiele sind nur ein Spiel des Kampfes um die Existenz. Der Mensch hat nicht die Wahl, geboren zu werden, es gibt kein Entrinnen aus dem Faktum der Existenz. Die Ausstellung “I’m Not Here” ist ein Versuch, das Motiv der “Nichtteilnahme” als Weg zur Teilnahme an diesem “Spiel” aufzuzeigen – in kindlichem Humor als Antwort auf eine Erfahrung der Ohnmacht.
IV – Tabata von der Locht und Johannes Thum | TO GRIP AND GRASP 07.10. – 15.10 | Eröffnung: 07.10. 18 Uhr
Reifenabrieb auf Holzplatten (Pappel, Kiefer, Birke, Buche, HDF)
Dunkle Reifenspuren ziehen sich über die Rückwand des Ausstellungsraumes, die aus verschiedenartigen Holzplatten zusammengesetzt ist. Der sichtbare Abrieb der Reifen deutet auf ein Straßenfahrzeug hin, das für kreisförmige „Drifts“ verwendet wurde. Die collageartige Anordnung der Platten verfremdet den Prozess des Driftens zu einer malerischen Geste, bei der die Maschine zum Malwerkzeug wird. Der Ausstellungsort, eine ehemalige Garage, dient als Schauplatz einer künstlerischen Handlung, dessen Hauptakteur selbst einmal darin geparkt haben könnte.
In ihrer kollaborativen Arbeit medialisieren Tabata von der Locht (*1996 in München) und Johannes Thum (*1989 in Berlin, Absolvent der AdBK, Klasse Prof. Albert Hien) die vorgefundene Situation. Was hier als Malerei erscheint, ist nicht alleine ein Geschehen an der Oberfläche, sondern zeigt diese als Ereignis eines komplexen Handlungsgefüges, das an diesem Ort zwischen Alltags- und Kunsthandlung changiert.
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